Guten Abend meine lieben Zuhörer. Heute begrüße ich einen ganz besonderen Gast hier bei mir im Studio. Es ist eine ganz besondere Ehre sie hier zu haben, denn sie hat nicht nur mir selber, meinem Leben, Wünschen und Hoffnungen als Vorbild gedient – Nein – Millionen von Fans eifern ihr nach. Jeder kennt sie, jeder liebt sie. Niemand kommt an ihr vorbei oder um sie herum. Kein Film wurde produziert, kein Lied vertont, welches nicht mehr oder minder ihr gewidmet ist. Dolce Vita! Das süße Leben verbindet man mit ihr…Das einzige Verlangen der Menschheit, welches sich weder domestiziert noch wirklich manifestiert hat!
Ich begrüße hier im Studio: DIE LIEBE! Hallo Liebe.
Hallo Hass.
Schön dich zu sehen. Und nochmals ganz besonderen Dank, dass Du dir Zeit genommen hast in meine Sendung zu kommen. Du bist ja rund um die Uhr beschäftigt. In jedem Land gefeiert und willkommen, so zu sagen. Hast Du wirklich niemals Pause?
Ach Hass, Du übertreibst. Natürlich bin ich rund um die Uhr auf der ganzen Welt gefragt. Aber, wie Du ja weißt, investiere ich meine Kraft und Ideen nur noch in ausgewählte Projekte.
Deine „Politik“ hat sich geändert? Ich meine, Du machst nicht mehr überall die Beine breit?
Genau. Ich habe mir neue Prioritäten gesetzt. Ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem man sich nicht mehr, alleine des Ruhmes wegen, für jede fixe Idee hergeben muss. Ich meine, dass ich mir das Recht heraus nehmen darf, nur noch lukrativ zu denken.
Aber für viele bist Du immer noch der Allroundstar schlechthin. Ist es dieses Image, das Du jetzt ablegen und gegen ein neues austauschen möchtest?
Ja, ich möchte nicht mehr auf der ganzen Welt im Vorabendprogramm den Kindern weißmachen, dass das richtige Geschirrspülmittel eine Ehe rettet oder das man tatsächlich mehr Sex durch weniger Schuppen hat. Ich spüre, dass mich meine Verarschungen der letzten 100 Jahre zwar nicht weniger glaubwürdig, aber doch erheblich mehr fragwürdig gemacht haben.
Du denkst also an die Zukunft der kommenden Gernerationen? Du denkst doch eigentlich vollkommen zeitlos, oder?
Ich denke nicht an die Zukunft folgender Generationen. Es ist meine Aufgabe immer nur an meine Zukunft zu denken. Niemandem würde es etwas nützen, wenn es anders wäre. Die Integrität meiner Person in die Hoffnungen und die Potenzfantasien der Menschen muss unangetastet bleiben. Da darf ich keine Rücksicht auf das Verlangen eines Individuums nehmen, sondern bin dem Großen und Ganzen verpflichtet. Ich bin der Motor menschlichen Handelns.
Und witzigerweise entschuldigt das jeder!
Witzig, ja.
Du spürst also, dass kommende Generationen irritiert sein könnten, was das Wesen und den Sinn der Liebe angeht? Haben religiöse, ich will mal sagen „Sammelbecken“, ausgedient? Ich denke da an die Hippieverklärung, Jesus als Prophet für geistige Gesundheit, der West-Buddhismus und so weiter.
Das ist ein weltweites Phänomen. Dort, mein lieber Freund, liegt ja nun viel mehr dein Aufgabengebiet, oder? Oder sagen wir mal, dort, wo es darauf ankommt, dass ich, die Liebe, die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen infiltriere, damit ein religiöses System funktioniert, ist nichts mehr zu holen.
Du hast dich aus den Lizenzgeschäften zurückgezogen?
Ja, mehr und mehr, denn es verpflichtet mich eine wenigstens annähernd berechenbare Grundlage meines Wesens zu liefern. Das spricht dem Sinn und Zweck von Liebe, als auf Zufall begründeter Zwangshandlungen der menschlichen Psyche, zuwider.
Wohin wird das führen? Ich meine, Du hast ein Monopol. Was nützt es Dir deinen „Wirt“ so zu drangsalieren? Geld kann doch keine Rolle für Dich spielen. Jeder gibt Dir freiwillig alles, was Du haben willst!
Sicherlich. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich oft an Dich denken muss, lieber Hass. Ich wäre gerne auch mal wieder die Nummer zwei. Der Geheimtipp sozusagen.
Danke.
Es ist so, dort, wo ich den größten Einfluss habe, sind Männer und Frauen mich langsam satt. Überdrüssig. Selbst die Schwulen und Lesben haben inzwischen kapiert, dass sie nicht die nächste Entwicklungsstufe der Evolution der Liebe sind und genau die gleichen Probleme in ihren Beziehungen haben, wie alle anderen. Die Geschäfte liefen gut, aber ich muss jetzt anfangen in diesem Markt gegen zu steuern. Die Selbstverliebtheit ist mir etwas aus dem Ruder gelaufen. Eigentlich ist es mir egal was die Leute lieben – hauptsache es macht abhängig und bindet diese Person.
Manche lieben die Freiheit.
Freiheit ist Schwachsinn! Man will immer irgendetwas lieben (lacht)
You’ve got to serve somebody?*
You’ve got to serve somebody!
Erzähl weiter. Das mit dem Markt interessiert mich.
Hier, lieber Hass, da wo Du und ich große intellektuelle Freiheit genießen und praktisch verbeamtet sind, fällt uns das Leben leicht, stimmts?
Ja, wir werden eben nur in unterschiedlichen Währungen bezahlt. Frei konvertierbare Währungen.
Dieser Markt hat sich gefestigt. Dort ist nur noch wenig Bewegung zu spüren. Die Menschen hier lieben sich selbst, ihr Auto, Geld, ihre Ideen…sie sind beschäftigt. Die Ausschläge auf einer Liebes- oder Hassskala wären mäßig, würde man es messen. Alles läuft nach Plan, verstehst Du?
Völlig. Deine Klienten lieben heute dies morgen das. Sie sind sozusagen ständig mit Dir beschäftigt ohne Dir groß zur Last zu fallen.
So ist es.
Gut. Wo läuft es nicht so gut für Dich?
Dort, wo die Menschen mehr aufeinander angewiesen sind. Dort, wo sie ein Leben wirklich gemeinsam bewältigen müssen und keine Zeit haben sich über Wohlstand oder Lebensqualität zu streiten. Oder dem bis zur geistigen und körperlichen Erschöpfung nacheifern. Ich befürchte ganz einfach, dass solche Zustände auch hier wieder eintreten könnten. Das Männer und Frauen ihre Unterschiedlichkeit erkennen, akzeptieren und sich ergänzen. Das sie sich nicht an ein System von Wohlstand und Wachstum binden und einfach so miteinander glücklich sind. Das wäre ein derber Rückschlag für mich.
Aber ist DAS nicht eigentlich Liebe?
Das, Hass, bin nicht ich!
Was bist Du dann?
Ich bin der Wunsch nach mehr. Schön, schöner, am schönsten. Motivation und Antrieb der Menschheit. Ich habe ganz klein angefangen und mich zum Hauptverlangen unserer Zivilisation hochgearbeitet. Egal ob im Westen oder Osten, Arm oder Reich. Keine Unternehmung, keine Marke, die mich nicht benötigt, um andere zu nötigen, die mich nicht braucht, um andere zu gebrauchen. Kein Individuum, welches sich nicht an den verabredeten und vorgefertigten Schemata und Formen orientiert.
Wenn ich das so höre, würde ich dich gerne fragen, ob das nicht schizophren ist? Du beschreibst deine Arbeit einerseits als ein rein mechanisches Prinzip zur Schaffung von Abhängigkeiten und andererseits unterdrückst du Dein eigentliches, wahres ich. Wäre es nicht besser Du würdest alle Deine Kraft und Energie darauf verwenden den Menschen die Augen zu öffnen? Ihnen zu helfen, die wichtigen Aufgaben im Leben zu erkennen? Das könntest Du doch, oder?
Wenn einer das Bedürnis hat, werde ich ihm nicht im Weg stehen. Aber es ist eigentlich keiner mehr bereit solche Entbehrungen auf sich zu nehmen. Wer will denn heute noch auf einen Flachbildschirm verzichten, oder auf Kurvenlicht? Er hätte denn, im Austausch, vielleicht jemanden, der zu seinem Herzen passen würde, aber rein äußerlich nicht attraktiv ist? Dann doch lieber gut aussehen, mit dem Strom schwimmen und so tun, als wäre alles in Ordung. Auch HighTech-mäßig!
Sehr abstrakt. Aber ich ahne, was Du meinst. Eine funktionierende Liebe ist absolutes High-Tech und kann nur von denen in den Griff bekommen werden, die in der Lage sind, sagen wir mal, in die Peripherie mit zu investieren?
Verstehen Deine Hörer das nicht?
Ich werde es hören. Gut, Du hast also für Dich selbst entschieden, und damit für uns, dass das Maß von moderner Liebe abhängig sein soll von der Akzeptanz in einem vom Erfolg abhängigen Wertesystem, welches denjenigen, der im Stande ist diese Norm zu erfüllen, belohnt und denjenigen, der entweder nicht in der Lage oder nicht Willens ist nach Deinen Regeln zu spielen, hinhält oder ausgrenzt. Ist das so in etwa Dein Programm?
Nein! Es ist das, was sich jeder selber aussucht. Ich habe den Ball nur aufgegriffen!
Nichts manipuliert?
Doch. Aber auf Wunsch. Und mit Gesichtskontrolle. (lacht wieder)
Wir sind also alle selber Schuld?
Ja, wie immer.
Ich danke Dir, Liebe. Es war schön, dass Du hier warst. Und ganz ehrlich, ich werde noch über einiges von dem, was Du gesagt hast, nachdenken müssen. Als Hass habe ich ja einen ganz anderen Bezug zu der Realität der von dir enttäuschten.
Mach’s gut Hass. Danke für die Einladung. Wir sehen uns!
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* Gotta serve somebosy · Bob Dylan · LP: Slow Train comin‘
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Ja. Es geht mir eigentlich um die Drastik (oder Drastizität?). Natürlich ist Liebe nicht tot zu kriegen 🙂 Ich selber könnte mir natürlich ein Leben ohne diese süße Betäubung auch nicht vorstellen. Mir tut es aber gut, wenn ich Licht und Schatten dicht beieinander halte, da ich eher zu Flegmatismus neige als zu mieser Laune oder Zwangshandlungen irgendeiner Art.
Der Hassansatz ist zugegebenermaßen etwas grob und kann leicht mißverstanden werden. Du hast es ja aber als einen Denkanstoß gewertet und mir damit den Tag versüßt. Das finde ich nett und besonders lieb von dir, weil Du es mir außerdem auch noch geschrieben hast!
Oh, das könnte man dann auch noch wiederum anders beleuchten. Das eine ist ohne das andere nichts… Ich persönlich halte Liebe für ein stärkeres und gesünderes Gefühl. Wenn man die Natur liebt, wird man ihr nichts antun, wenn man die Menschen liebt, wird man sie nicht töten wollen… Liebe mit Vernunft, Sanftmut und klugen Worten, gegen das Widerwärtige eingesetzt, ist in meinen Augen mächtiger als Hass. Hass schürt nur Ängste und neue Wut. Letzlich vielleicht alles eine difinitions Sache. 🙂 Was aber nicht sagen soll, ich fände Deine Ansätze unsinnig, im Gegenteil, ein interessanter Denkanstoß.
Tja, Liebe. Mein primäres Gefühl an dem ich mich orientiere ist HASS! Oh Gott, oh Gott, müsste man da jetzt sagen, aber … flach atmen! Keine Panik! Alles ist gut. Seit ich (für mich) geschnallt habe, dass Liebe zu den schwächsten und verletzbarsten menschlichen Neigungen gehört und unterm Stich zu fast nichts zu gebrauchen ist, musste ich dieses Sinnloch (ich bin nämlich Sinnkontinent) ja irgendwie füllen und da habe ich mich gefragt:
– Meine Liebe für den Frieden nutzt nichts, ist Hass gegen den Krieg nicht viel besser?
– Meine Liebe zur Natur nutzt nichts, wie wäre es den Raubbau zu hassen?
– Meine Liebe zu Einigkeit und Recht und Freiheit bleibt ohne Effekt, wie wäre es mit Hass gegen den Mißbrauch unserer seit Jahrhunderten durch Menschleben erkauften z.B. christlichen Werte und Normen?
Ich ziehe aus der Abneigung gegen Wischiwaschitum und allgemeiner sozialer Verblödung einen Großteil meiner Kraft. Liebe kann sich nicht konzentrieren.
Unterhaltsam und doch tief.
Kurzweilig und eine originelle Idee.