Jetzt am Tage, in einsamer Pracht,
Ergeht sich dort oben der Sonnengott,
Ob seiner Herrlichkeit
Angebetet und vielbesungen
Von stolzen, glückgehärteten Menschen.
Aber des Nachts,
Am Himmel, wandelt Luna,
Die arme Mutter
Mit ihren verwaisten Sternenkindern,
Und sie glänzt in stiller Wehmut,
Und liebende Mädchen und sanfte Dichter
Weihen ihr Tränen und Lieder.
Die weiche Luna! Weiblich gesinnt,
Liebt sie noch immer den schönen Gemahl.
Gegen Abend, zitternd und bleich,
Lauscht sie hervor aus leichtem Gewölk,
Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich,
Und möchte ihm ängstlich rufen: „Komm!
Komm! die Kinder verlangen nach dir-“
Aber der trotzige Sonnengott,
Bei dem Anblick der Gattin erglüht er
In doppeltem Purpur,
Vor Zorn und Schmerz,
Und unerbittlich eilt er hinab
In sein flutenkaltes Witwerbett
(aus: Buch der Lieder – erster Zyklus: Die Nordsee – H. Heine)
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern! Ich war erkältet und es ging mir ziemlich dreckig. Nichtsdestotrotz habe ich mich auf den Weg in die Stadtbücherei gemacht, um ein wenig zu stöbern. Und dort habe ich zum ersten mal (ja, ja! Ich weiß…) ein Gedichtband von Heinrich Heine aufgeschlagen und genau dieses Gedicht gelesen. Ich war total paralysiert!